Neuigkeiten zum Nierenzellkarzinom – die Vancouver-Klassifikation

Prof. Dr. med. Michael Siebels

Zusatzbezeichnungen: Andrologie, Medikamentöse Tumortherapie,
GCP-Studien Prüfarzt

Urologie Pasing
Josef-Retzer-Str. 48
D-81241 München-Pasing

Einleitung

Die Häufigkeit des Nierenzellkarzinoms (NZK) ist in den letzten Jahren nicht zuletzt aufgrund verbesserter Diagnosemöglichkeiten kontinuierlich angestiegen. Dabei werden vermehrt kleine Tumoren, sogenannte small renal masses (SRM) detektiert, deren Dignität häufig unklar ist.

Hintergrund

Das NZK ist eine heterogene Erkrankung, und in den letzten 20 Jahren wurden zahlreiche unterschiedliche histopathologische Typen beschrieben. In der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 2004 wurden bei der Subtypeneinteilung erstmals neben den histopathologischen auch molekuargenetische Veränderungen aufgeführt. Dies führte zur Einführung neuer NZK-Typen, wie z. B. die Unterteilung der papillären Tumoren in Typ I und II.1

Die Vancouver-Klassifikation

Eine Konsensus-Konferenz der Internationalen Gesellschaft für Pathologie hat daraufhin Vorschläge für neu in die WHO Klassifikation einzuschließende Tumorentitäten gemacht (Vancouver-Klassifikation), die sehr wahrscheinlich in die Überarbeitung der WHO Klassifikation 2015 Eingang finden werden.2
Dabei werden vor allem zum Teil klarzellig differenzierte Tumoren mit anderen genetischen Veränderungen vom klassischen klarzelligen NZK abgegrenzt. Beispiele sind das klarzellige papilläre NZK Typ I mit niedrigem Fuhrmann Grad oder der multilokulär zystische Nierentumor mit niedrig malignem Potential, welche beide eine exzellente Prognose aufweisen. Zusätzlich wurden auch NZK mit sehr schlechter Prognose von klassischen klarzelligen oder papillären NZK unterschieden z. B. das sogenannte Translokations-Karzinom der Niere oder das papilläre NZK Typ 2. Auch die mit NZK assoziierte hereditäre Leiomyomatose (HLNZK) wurde in Vancouver erstmals als eigenständiger Subtyp definiert.

Ziel dieser neuen Subtypisierung des NZKs ist es einerseits Patienten mit aggressiven Tumortypen zu erfassen, die möglicherweise besondere, spezifische Therapien benötigen. Andererseits sollen Patienten mit Nierentumoren klassifiziert werden, die ein minimales Metastasierungsrisiko und eine exzellente Prognose aufweisen und damit möglicherweise Kandidaten für eine abwartende konservative Therapie (Active Surveillance) sind.

Ausblick für die Praxis 

In den nächsten Jahren werden durch die differenzierte histopathologische und molekulargenetische Klassifikation des NZKs weitere Erkenntnisse über den klinischen Verlauf und eine möglicherweise differenzierte Therapie bei verschiedenen seltenen Untergruppen des NZKs erarbeitet. Auch auf die Nachsorge von NZK Patienten werden die neuen Daten eine enorme Auswirkung haben.

(1) Lopez-Beltran A. et al. 2004 WHO classification of the renal tumors of the adults. Eur Urol. 2006; 49(5):798-805
(2) Srigley JR, Delahunt B, Eble JN, Egevad L, Epstein JI, Grignon D, Hes O, Moch H, Montironi R, Tickoo SK, Zhou M, Argani P; ISUP Renal Tumor Panel. The International Society of Urological Pathology (ISUP) Vancouver Classification of Renal Neoplasia. Am J Surg Pathol. 2013 Oct; 37(10):1469-89