Kongressbericht zum 68. Jahreskongress der DGU
28.09. – 01.10.2016 Leipzig

Frau Dr. med. C. Jacobs

Fachärztin für Urologie

Zusatzbezeichnung: „medikamentöse Tumortherapie“
Urologie Bonn-Rhein-Sieg
Praxis Bad Godesberg
Theaterplatz 18
53177 Bad Godesberg

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Kongressbericht zum 68. Jahreskongress der DGU

Einleitung

In diesem Bericht vom Jahreskongress der deutschen Gesellschaft für Urologie möchten wir Ihnen einige Höhepunkte des Kongresses, insbesondere eine Auswahl der wichtigsten Arbeiten zum Prostatakarzinom, vorstellen. Der diesjährige Jahreskongress der DGU, welcher vom 28. September bis 1. Oktober in Leipzig stattfand, stand unter dem Motto „Ökonomie, Medizin, Qualität“. Diesem Motto folgend wurde auch die kritische Besprechung bereits etablierter Therapien in den Fokus gerückt. Erwartungsgemäß überwogen auch in diesem Jahr die uroonkologischen Kongressbeiträge. Hierbei ist besonders die gelebte interdisziplinäre Zusammenarbeit, welche sich erstmalig in einem Gemeinschaftsforum mit der Deutschen Gesellschaft für Hämatoonkologie (DGHO) und anschließenden Verleihung der Ehrenmitgliedschaft der Deutschen Gesellschaft für Urologie an Prof. Dr. Wörmann, Berlin manifestiert hat, hervorzuheben. Gerade vor dem Hintergrund der Entwicklung der vorgestellten Immuntherapeutika und deren entitäts- und fachgebietsübergreifenden Einsatzgebiet wird vor allem die Bedeutung des kollegialen Miteinanders der in der Versorgung tätigen Kollegen über die Forschungsgruppen hinaus weiter an Bedeutung gewinnen. Das Prostatakarzinom betreffend wurden in diesem Jahr 94 Abstract-Beiträge (von 180 eingereichten Beiträgen) präsentiert. Auf vier ausgewählte Arbeiten, wollen wir Ihnen im Folgenden einen genaueren Blick werfen.

Versorgungsrealität von Patienten mit kastrationsresistentem PCa

Hinsichtlich der Versorgungsrealität der Prostatakarzinompatienten im metastasierten Stadium ist eine Studie aus Wien hervorzuheben.1 In ihrem, im Rahmen einer Vortragssitzung vorgestellten, Abstract präsentierten B. Mohamad Al-Ali und S. Madersbacher eine Auswertung der Datenbank eines großen österreichischen Sozialversicherungsträgers. Ziel der retrospektiven Auswertung von 270 Patientendatensätzen war die Analyse der Adhärenz für Abirateronacetat sowie das Gesamtüberleben von Patienten, welche unter einem kastrationsresistenten Prostatakarzinom leiden. Als Fazit der Auswertung wurde eine zufriedenstellende Therapieadhärenz gezogen, jedoch zeigte sich das mediane Gesamtüberleben mit 11 Monaten als deutlich kürzer als in den Phase-III-Studien. Zudem fiel eine sehr hohe Hospitalisationsrate der Betroffenen (26,2 % verbrachten über 50 % der verbliebenen Lebenszeit im Krankenhaus, nur 7 % der Patienten wurden nicht hospitalisiert) unter der oralen Therapie auf.
Behandlungsbedürftigkeit des low-risk PCa Bezüglich der Behandlungsbedürftigkeit des low-risk-Prostatakarzinoms ist von P. Mandelet al. eine retrospektive Analyse eines großen Patientenkollektivs publiziert worden.2 In Ihrer Arbeit werden die Daten von 2.942 Patienten, welche zwischen 1998 und 2010 einer radikalen Prostatektomie zugeführt wurden, analysiert. Die erhobenen Daten unterstreichen dabei eindrücklich den Stellenwert der aktiven Überwachung und befeuern die Diskussion, ob ein Gleason 6-Prostatakarzinom als Karzinomerkrankung zu werten ist – im Gesamtkollektiv haben nur 0,5 % der in der Stanzbiopsie als Gleason 6 klassifi zierten Betroffenen und nur 0,2 % der Betroffenen mit einem Gleason-Score von 6 im Pathologiepräparat Metastasen entwickelt oder sind tumorbedingt verstorben.

Hormonabhängigkeit von Prostatatumoren

Einen neuen Aspekt bezüglich der Hormonabhängigkeit von Prostatatumoren beleuchten Y. Almehmadi et al. in ihrem Beitrag.3 Hier wurden die histologischen Ergebnisse eines kleinen Patientenkollektivs von 204 hypogonadalen Männern, welche sich einer Prostatastanzbiopsie unterziehen mussten, in Bezug zu einer durchgeführten Testosteronersatztherapie gesetzt. Nur 42 der insgesamt 204 Patienten hatten eine Testosterontherapie erhalten, 16,7 % dieser Subgruppe hatten eine positive Prostatastanzbiopisie, von den 162 unbehandelten Männern hatten 51,9 % ein positives Biopsieergebnis. Auch in den anschließenden
Prostatektomiepräparaten zeigte sich ein signifikant höheres Staging und Grading bei hypogonadalen Männern ohne Testosteronersatztherapie, sodass die Autoren schlussfolgerten, dass eine Testosterontherapie
möglicherweise protektiv gegen die Entwicklung eines aggressiven Prostata-Karzinoms beim hypogonadalen Mann wirken kann. Aufgrund der geringen Patientenzahl bleibt die Aussage jedoch limitiert.

Die PCa-Therapie aus ökonomischer Sicht

Das Motto des Jahreskongresses aufgreifend, analysierten C. Börgerman et al. in ihrer Arbeit die Belastung der Kostenträger.4 In der vorgestellten gesundheitsökonomischen Analyse wurden 2.957 Patienten aus der HAROW-Studie5 hinsichtlich der aus ökonomischer Sicht verursachten Kosten analysiert. Einbezogen wurden lediglich Betroffene mit einem klinisch lokal begrenzten Prostatakarzinom. Ausgewertet wurden sowohl direkte als auch indirekte Krankheitskosten.

In der Auswertung (Abb.1) imponierte vor allem die radikale Prostatektomie, welche mit 9.252 Euro das teuerste Therapieverfahren darstellte, gefolgt von der Radiotherapie mit 5.043 Euro. Erheblich günstiger ist erwartungsgemäß die Active Surveillance, welche Therapiekosten von 1.358 Euro verursacht. Die palliative Hormontherapie ist mit 1.033 € die günstigste Therapieoption und liegt sogar unter den Kosten für Watchful Waiting, welche mit 1.930 € zu Buche schlagen. Die Autoren zogen daraus das Fazit, dass trotz der Asymmetrie der Vergütung, die rationale Beratung des Patienten auf das onkologische Outcome ausgerichtet sein sollte. Dabei sollte jedoch auch eine mögliche Übertherapie und deren Nebenwirkungen diskutiert werden. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Literatur
1 B. Mohamad Al-Ali, S. Madersbacher. Abirateron beim kastrationsresistenten Prostatakarzinom – Therapieadhärenz, Überleben und Hospitalisationsdauer: Analyse einer Versicherungsträgerdatenbank. Abstract CD 68. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V., 2016, Leipzig. Abstract V03.5
2 P. Mandel, M.C. Kriegmair, M. Graefen, H. Huland, D. Tilki. Onkologische Langzeitergebnisse nach radikaler Prostatektomie von Patienten mit einem Gleason Score 3+3 im Prostatektomiepräparat. Abstract CD 68. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V., 2016, Leipzig. Abstract V11.3
3 Y. Almehmadi, A. Yassin, M. Salman. Schweregrad von Prostata-Karzinom bei 41 testosteronbehandelten und -unbehandelten Patienten nach Radikaler Prostatektomie-Daten einer prospektiven Registerstudie. Abstract CD 68. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V., 2016, Leipzig. Abstract V32.8
4 C. Börgermann, T. Reinhold, L. Weißbach. Therapieassoziierte Kosten bei Patienten mit lokal begrenztem Prostatakarzinom. Abstract CD 68. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V., 2016, Leipzig. Abstact V37.7
5 J. Herden, L. Ansmann, N. Ernstmann, D. Schnell, L. Weißbach. Therapie des lokal begrenzten Prostatakarzinoms im deutschen Versorgungsalltag. Deutsch Ärzteblatt 2016, 113 (19): S. 329-336