Herz und ADT: Die Rolle koronarer Entzündung

Prof. Dr. med. C. A. Schneider

Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Ernährungsmedizin
Med. Sachverständiger cpu, Ernährungsmediziner BFD e.V., Kard. Präventivmediziner DGPR

PAN Praxisklinik
Zeppelinstraße 1
50667 Köln

Einleitung

Die Androgen-Deprivationstherapie (ADT) spielt eine zentrale Rolle in der Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenen Prostatakarzinomen. Neben der Therapie mit GnRH-Agonisten kann der GnRH-Antagonist Degarelix in der ADT eingesetzt werden. Aktuelle klinische und experimentelle Daten unterstützen den Einsatz von Degarelix insbesondere bei Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen. Eine große post-hoc gepoolte Analyse randomisierter Studien (n = 2328) zeigte eine signifikante Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse unter Degarelix im Vergleich zur Therapie mit GnRH-Agonisten* (Hazard ratio: 0,44; 95 % Cl 0,26-0,74; p = 0,002) bei Patienten mit kardialen Vorerkrankungen. Die absolute Risikoreduktion betrug 8,2 % im ersten Jahr mit einer „number- needed-to-treat“ von 12. Daten sprechen ebenfalls dafür, dass Degarelix im Vergleich zu LHRH-Agonisten* die Gesamtsterblichkeit günstig beeinflusst.1

Physiologische Hintergründe

Die Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse und der Sterblichkeit durch Degarelix lässt sich am besten durch eine günstige Beeinflussung der atheriosklerotischen Plaque-Stabilität erklären. Seit Jahren ist bekannt, dass es sich bei der Atherosklerose um eine System-Erkrankung (erhöhtes C reaktives Protein) mit fokalen Ausprägungen (z. B. koronare Plaques, Stenosen in den Herzkranzgefäßen) handelt. Instabile koronare Plaques, die zur Ruptur neigen und zum Herzinfarkt führen können, sind durch eine hohe Cholesterin-induzierte Entzündungsaktivität gekennzeichnet (z. B. Monozyten, Makrophagen, Schaumzellen, T-Zell-Aktivierung) und eine dünne fibröse Plaque-Kappe charakterisiert.

Die T-Zell-Aktivierung führt zu einer Freisetzung von Zytokinen, die letztlich zur Plaque-Destabilisierung und Plaque-Ruptur beitragen (Aktivierung von Matrix-Metalloproteinasen). In diese komplexen Abläufe kann Degarelix eingreifen, wie tierexperimentelle Untersuchungen belegen. Ältere Arbeiten zeigen bereits, dass die Freisetzung von Zytokinen aus T-Lymphozyten unter GnRH-Agonisten verstärkt ist, unter Degarelix aber durch Blockade des Rezeptors unterdrückt wird. Eine aktuelle Arbeit belegt darüber hinaus nicht nur die Koexpression von GnRH-Rezeptoren und Makrophagen in Plaque-Gewebe von ApoE -/- Mäusen sondern auch eine – unerwünschte Plaque-stimulierende Wirkung von Leuprorelin im Vergleich zu Degarelix.2

Fazit

Die Gesamtheit dieser klinischen und experimentellen Daten legt daher einen kardioprotektiven Effekt der GnRH-Antagonisten Therapie nahe.

(1) Albertsen PC et al., Cardiovascular Morbidity Associated with Gonadotropin Releasing Hormone Agonists and an Antagonist. European Urology 2014; 65(3): 565-573
(2) Knutsson A et al., Treatment with an LHRH agonist, but not the LHRH antagonist degarelix, induces atherosclerotic plaque instability in ApoE-/- mice. EAU 2015, Poster 558

* Leuprorelin und Goserelin