Prostata-Ca: Höheres kardiovaskuläres Risiko unter GnRH-Agonisten?
Einleitung
Eine retrospektive Studie wies bei den 22.816 eingeschlossenen Patienten mit neu diagnostiziertem Prostatakarzinom eine um 20 % erhöhte Inzidenz von kardiovaskulären Ereignissen bei Androgensuppressionstherapie nach – verglichen mit der Kontrollgruppe.1 Eine weitere Studie mit 73.196 Prostatakarzinompatienten zeigte ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Diabetes, koronarer Herzerkrankung, Herzinfarkt und plötzlichem Herztod unter GnRH-Agonisten. Für die Orchiektomie wurde lediglich ein erhöhtes Risiko für Diabetes aufgezeigt.2 Beim DGU-Kongress 2015 Ende September in Hamburg wurden aktuell biologische Untersuchungen zum erhöhten kardiovaskulären Risiko unter GnRH-Agonisten* verglichen mit GnRH-Antagonisten präsentiert.³
Hintergründe und Herangehensweise
Die EAU erkennt, dass eine Assoziation mit geringerer CV-Morbidität unter LHRH-Antagonist im Vergleich zu LHRH-Agonisten* bestehen kann**.4 Die Ursache hierfür liege möglicherweise in der Funktion des Endothels, so die Hypothese von Dr. Daniel Bulut und Kollegen, Universitätsklinikum St. Josef- Hospital Bochum und Marienkrankenhaus Soest.³
„Eine Verletzung der morphologischen Integrität des Endothels könnte zum Progress der Arterosklerose führen. Ergebnisse unserer Analyse bestätigen die Hypothese, dass Degarelix weniger stark in die endotheliale Homöostase eingreift.“
Dr. Daniel Bulut, Bochum
Dem Endothel wird eine Schlüsselfunktion in der Entstehung der Arteriosklerose, aber auch der Plaquestabilität zugeschrieben, erklärte Bulut auf dem DGU-Kongress in Hamburg. Eine Verletzung der morphologischen und funktionellen Integrität könne zum Progress der Arteriosklerose führen. Der GnRH-Antagonist Degarelix greife wahrscheinlich weniger stark in die endotheliale Homöostase ein. Um diese Hypothese zu bestätigen, führten Bulut und Kollegen Messungen der Apoptoserate und der BrDU-Proliferationsrate (Bromodesoxyuridin) durch. Bei der Apoptosemessung führte die Ko-Inkubation humaner Umbilikalvenen-Endothelzellen (HUVEC) mit Degarelix im Vergleich zu einer unbehandelten Kontrolle zu einer vermehrten Anzahl vitaler Zellen (p < 0,05). Bei der Ko-Inkubation mit Goserelin veränderte sich die Anzahl vitaler Zellen, aber ohne signifikantes Ergebnis. Im Vergleich zu einer unbehandelten Kontrolle führte die Ko-Inkubation mit Degarelix auch zu einer signifikanten Reduktion apoptotischer Zellen (p < 0,05). Die Ko-Inkubation mit Goserelin erhöhte die Anzahl apoptotischer Zellen nicht signifikant.³
Ergebnisse
In Bezug auf die BrDU-Proliferationsmessung zeigte sich mit Degarelix im Vergleich zu einer unbehandelten Kontrolle keine Veränderung der Proliferationsrate. Die Ko-Inkubation mit Goserelin reduzierte hingegen die Proliferationsrate signifikant (p < 0,05). Die in Hamburg präsentierten Ergebnisse können die vorbeschriebenen Unterschiede in der Rate kardiovaskulärer Ereignisse – zumindest teilweise – erklären, so die Schlussfolgerung von Bulut und Kollegen. Über welche Mechanismen Goserelin und Degarelix Einfluss auf den endothelialen Umsatz haben, sei Gegenstand weiterer Untersuchungen und derzeit unklar. Es wird vermutet, dass der vermehrte Untergang von Endothelzellen und die mangelnde Regeneration zu einer morphologischen und funktionellen Lücke führen und eine erhöhte Permeabilität für Monozyten bedingen. Dies sei der erste Schritt in der Entstehung einer manifesten Arteriosklerose, so Bulut.³
*Goserelin
**„Cardiovascular mortality is now the most common cause of death in PCa patients, even exceeding PCa mortality [688]. Several studies showed that ADT, after only six months, was associated with an increased risk of diabetes mellitus, cardiovascular disease, and myocardial infarction [689]. […] It has been suggested that LHRH antagonists might be associated with less cardiovascular morbidity compared to agonists [694]. However, the methodology used in these studies does not provide convincing evidence to show a clear superiority of these compounds. These data resulted in an FDA warning and consensus paper from the American Heart, Cancer Society and Urological Associations [695]. Preventive advice includes non-specific measures: loss of weight, increased exercise, improved nutrition and smoking cessation.”http://uroweb.org/wp-content/uploads/EAU-Guidelines-Prostate-Cancer-2016.pdf
(1) Saigal CS et al., Androgen deprivation therapy increases cardiovascular morbidity in men with prostate cancer. Cancer 2007; 110: 1493-1500
(2) Keating NL et al., Diabetes and cardiovascular disease during androgen deprivation therapy for prostate cancer. J Clin Oncol 2006; 24: 4448-4456
(3) Bulut D et al., Degarelix reduziert im Vergleich zu Goserelin Apoptose in humanen Endothelzellen. DGU 2015, Vortragssitzung V01
(4) Tombal B et al., Lower risk of cardiovascular events and death in men receiving ADT by GnRH antagonist, degarelix, compared to LHRH agonists. EAU 2013, Poster #677