Fokale Therapie des Prostatakarzinoms – aktueller Stand

Dr. med. Johannes Bründl

Assistenzarzt für Urologie

Klinik und Poliklinik für Urologie
am Caritas-Krankenhaus St. Josef
Universität Regensburg
Landshuter Straße 65
93053 Regensburg

Einleitung

Das Prostatakarzinom stellt mit aktuell ca. 70.000 Neuerkrankungen pro Jahr die häufigste Tumorentität des Mannes in Deutschland dar.1 Insbesondere seit Einführung der PSA-Diagnostik in den 90er-Jahren kommt es hierbei häufig zur Diagnose Prostatakarzinomen mit niedrigem bis früh-intermediärem Risiko. Dies führt zu dem Dilemma einer möglichen Übertherapie durch die langjährig etablierten Therapieoptionen (radikalen Prostatektomie/Radiatio) auf der einen Seite und der gewissen Unsicherheit einer „Active surveillance“ auf der anderen Seite. Die fokale Therapie könnte hierbei für ausgewählte Patienten zukünftig eine sinnvolle Therapieoption darstellen.

Grundlagen der fokalen Therapie

Grundsätzlich kann jede Behandlung mit einer Energiequelle in der Absicht ein Prostatakarzinom bis an die Organgrenze oder selektiv abzutragen als „fokal“ angesehen werden.2 Gleichzeitig soll das Risiko einer post-interventionellen Inkontinenz sowie einer erektilen Dysfunktion durch Schonung des umliegenden Gewebes minimiert werden. Das Prostatakarzinom ist eines der letzten parenchymatösen Karzinome, bei dem ein organ-erhaltender Therapieansatz diskutiert wird, während ein organ-erhaltendes Vorgehen bei anderen Tumoren wie beispielsweise dem Nierenzellkarzinom bereits seit längerer Zeit als Therapiestandard etabliert ist.

Herausforderungen bei der fokalen Therapie

Die fokale Therapie des Prostatakarzinoms bringt allerdings auch einige, bislang z. T. ungelöste Probleme mit sich. Hierzu zählt u. a. das multifokale Auftreten des Prostatakarzinoms3, wodurch nur ca. jeder dritte Patient anhand der anatomischen Tumorverteilung für eine fokale Therapie in Frage kommt.4

Ein weiteres Problem stellt die hohe Interobserver-Variabilität bei der Risikoklassifizierung mittels Gleason-Grading am Stanzmaterial dar. Diese wird aufgrund der zunehmenden Detektion von sehr kleinen Karzinomherden zusätzlich erschwert.5

Darüber hinaus sind Kriterien zur Erfolgskontrolle nach fokaler Therapie ebenso wie entsprechende Rezidiv-/Progressionskriterien bisher nicht einheitlich definiert.6 Der PSA-Nadir ist im Rahmen der Beurteilung des Therapieerfolges wohl nur bedingt aussagekräftig, da dieser einerseits von der Effektivität der fokalen Therapie, andererseits vom Anteil des behandelten bzw. nicht-behandelten Prostatavolumens beeinflusst wird. Zudem ist unklar, ob ein späterer Karzinomnachweis in unbehandelten Prostatabereichen grundsätzlich als Therapieversagen zu werten ist.

Idealerweise sollte die individuelle Tumornachsorge nach fokaler Therapie zunächst auf einer Kombination aus regelmäßigen Kontrollbiopsien sowie Verlaufskontrollen mittels Schnittbildgebung durch multiparametrischer Magnetresonanztomographie  (mpMRT) basieren.6

Fokale Therapien als therapeutischer Mittelweg

Innerhalb der vergangenen Jahre haben große Screeningstudien zu einem Überdenken der etablierten Therapieformen geführt. Nichtsdestotrotz erfährt die Active surveillance weiterhin eine eingeschränkte Akzeptanz, sodass im Spannungsfeld zwischen radikaler Therapie und Active surveillance vermehrt nach einem Mittelweg im Sinne einer fokalen Therapie gesucht wird. Dank einer verbesserten Diagnostik mittels mpMRT können Prostatakarzinomherde durch die simultane Erfassung anatomischer, metabolischer sowie funktioneller Informationen inzwischen exakter lokalisiert werden, sodass diese heutzutage eine wichtige Rolle bei der Patientenselektion vor fokaler Therapie einnimmt. Studienkonzepte einer fokalen Therapie sollten daher neben den Informationen der Prostatastanzbiopsie stets auch die Ergebnisse der mpMRT berücksichtigen.

Nicht zuletzt aufgrund technischer Innovationen innerhalb der letzten Jahre stehen für die fokale Therapie des Prostatakarzinoms inzwischen eine ganze Reihe minimalinvasiv-ablativer Verfahren zur Verfügung. Die HIFU-Therapie (hochintensiver fokussierter Ultraschall) stellt hierbei das ablative Verfahren mit dem größten Potential zur Durchführung fokaler Therapieansätze dar. Europaweit wurden innerhalb der letzten 20 Jahre ca. 30.000 HIFU-Behandlungen durchgeführt.7 Für die Ganzdrüsen-HIFU-Therapie konnten ansprechbare onkologische Ergebnisse mit einem Follow-Up von bis zu 14 Jahren nachgewiesen werden.8 Die neueste Gerätegeneration ermöglicht eine Fusionierung des mpMRT-Datensatzes mit dem Live-TRUS-Bild (transrektaler Ultraschall) während der Behandlung. Die präzise Ablation kleiner Fokuspunkte erfolgt mit Hilfe einer dynamischen Fokussierung, sodass jeder beliebige Teilbereich der Prostata selektiv behandelt werden kann. Intraoperativ kann zudem eine direkte Kontrolle des Therapieeffektes mittels Kontrastmittelsonographie erfolgen und bei unzureichendem Therapieergebnis ggf. eine unmittelbare Nachbehandlung durchgeführt werden.

Aktuelle Studienlage

Die ersten Studien zur fokalen Therapie aus den Jahren 2007 bis 2012 basieren in den meisten Fällen auf einem monozentrischen, retrospektiven Studiendesign unter Verwendung verschiedener ablativer Verfahren, uneinheitlichen Protokollen und geringen Fallzahlen, sodass bislang nur ein niedriger Evidenzgrad (mehrheitlich Level 4) vorliegt.6 Vielversprechende funktionelle Ergebnisse im Hinblick auf Erhalt der Kontinenz und Potenz konnten bereits publiziert werden. Darüber hinaus wurden onkologische Kurzzeitergebnisse nach fokaler Therapie dokumentiert, allerdings stehen mittel- und langfristige Ergebnisse dieser noch jungen Therapieform aus.2

Im vergangenen Jahr wurde durch eine internationale interdisziplinär besetzte Expertenkommission eine Konsensempfehlung zur Standardisierung zukünftiger Studien zur fokalen Therapie publiziert.9

Im deutschsprachigen Raum nimmt der „Arbeitskreis für Fokale und Mikrotherapie“ der DGU hierbei eine Vorreiterrolle in der wissenschaftlichen Evaluation der fokalen Therapie ein. Bereits seit 2013 untersucht die in Zusammenarbeit mit der AUO (Arbeitsgemeinschaft Urologische Onkologie) konzipierte „HEMI“-Studie (AUO Nr.: AP 68/11) die Durchführbarkeit einer fokalen Therapie des unilateral lokalisierten Prostatakarzinoms (niedriges und früh-intermediäres Risiko) im Sinne einer Hemiablation durch hochfokussierten intensivierten Ultraschall. Die Rekrutierungsphase dieser prospektiven multizentrischen Phase-II-Studie ist aktuell nahezu abgeschlossen, erste Ergebnisse werden für das kommende Jahr erwartet.

Im Rahmen der „PRO FOCUS“-Studie wird seit diesem Jahr zudem die Machbarkeit einer fokalen Behandlung des lokalisierten Prostatakarzinoms unter MRT/TRUS-Bildfusion mittels hochfokussiertem intensiviertem Ultraschalls untersucht (max. zwei mpMRT-sichtbare Läsionen, PI-RADS 4/5).

Fazit

Die fokale Therapie konnte aufgrund stetiger Verbesserungen im Bereich der Prostatakarzinomdiagnostik sowie technischer Innovationen bei den verschiedenen Behandlungstechniken zuletzt eine zunehmende Akzeptanz gewinnen.

Insbesondere für Patienten mit lokalisierten Karzinomen mit niedrigem bis früh-intermediärem Risiko könnte die fokale Therapie zukünftig eine sinnvolle Option zwischen einer möglichen Übertherapie auf der einen und dem Gefühl einer Unterbehandlung auf der anderen Seite darstellen.

Die HIFU-Therapie stellt hierbei aktuell die reifste Technik zur Durchführung einer fokalen Therapie dar. Die langfristige onkologische Effektivität der fokalen Therapie ist aktuell allerdings noch unklar und muss im Rahmen prospektiver Multicenterstudien evaluiert werden.

(1) Krebs in Deutschland 2009/2010. 9. Ausgabe. Robert Koch-Institut (Hrsg) und die Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.V. (Hrsg). Berlin, 2013
(2) Kasivisvanathan V et al. Focal therapy for prostate cancer: German version. Urologe A, 2015; 54(2): 202-9. 
(3) Chen ME et al. Detailed mapping of prostate carcinoma foci: biopsy strategy implications. Cancer, 2000; 89(8): 1800-9. (4) Catto JW et al. Suitability of PSA-detected localised prostate cancers for focal therapy: experience from the ProtecT study. Br J Cancer, 2011; 105(7): 931-7.
(5) Burchardt M et al. Interobserver reproducibility of Gleason grading: evaluation using prostate cancer tissue microarrays. J Cancer Res Clin Oncol, 2008; 134(10): 1071-8.
(6) Schostak M et al. Cancer control in focus insights and future perspectives for the focal treatment of prostate cancer. Aktuelle Urol, 2015; 46(1): 39-44.
(7) Baumunk D und Schostak M. Treatment of localized prostate cancer with high-intensity focused ultrasound. Urologe A, 2015; 54(2): 183-90. (8) Ganzer R et al. Fourteen-year oncological and functional outcomes of high-intensity focused ultrasound in localized prostate cancer. BJU Int, 2013; 112(3): 322-9.
(9) Van den Bos W et al. Focal therapy in prostate cancer: international multidisciplinary consensus on trial design. Eur Urol, 2014; 65(6): 1078-83.