Neue Studienergebnisse stellen die Aussagen des PLCO Trial zum PSA-Screening infrage

Dr. med. Rolf Eichenauer

Facharzt für Urologie
Zusatzbezeichnungen Andrologie,
Medikamentöse Tumortherapie, Proktologie, Röntgendiagnostik fachgebunden, Spezielle
Urologische Chirurgie, Fachkunde in
Laboruntersuchungen im Gebiet Urologie

Urologikum Hamburg
Harksheider Straße 3
22399 Hamburg

Einleitung

Unser Autor hat für Sie den AUA Jahreskongress besucht, der Anfang Mai 2016 in San Diego, Kalifornien, stattgefunden hat. Für die PCA- Arena beleuchtet er drei ausgewählte Arbeiten, die für die urologische Praxis von besonderer Bedeutung sein könnten.

Im Rahmen der “Late Breaking Abstracts” hat Jonathan Shoag vom Weill Cornell Medical College, NY, auf dem AUA Kongress 2016 die Gelegenheit genutzt, ein politisches Highlight zu präsentieren, welches die maßgeblichen amerikanischen Gesundheitsbehörden veranlasst, ihre grundlegende abwertende Haltung zum PSA-Screening zu überdenken und neu einzustufen. Urologen wurden und werden immer wieder zwei Dinge vorgeworfen: erstens mit dem PSA Test nur Geld verdienen zu wollen und zweitens habe dieser sowieso keine ausreichende Aussagekraft.

In der urologischen Praxis wird die Sinnhaftigkeit des Tests in der Regel mit dem Zusammenhang zwischen Einführung der PSA-Diagnostik und abfallender Mortalität beim PCa in den entwickelten Ländern untermauert. Als Urologe erntet man dafür oft skeptische Blicke, denn die kritische Presse und damit auch die kritischen Patienten verweisen an dieser Stelle gerne auf mehrere Studien, welche die PSA-Diagnostik als nicht sinnvoll, ja sogar als gefährlich bezeichnen. Grundlage dieser Kritik am PSA-basierten Screening sind Erkenntnisse aus dem „Prostate, Lung, Colorectal, and Ovarian (PLCO) Cancer Screening Trial“. In dieser groß angelegten Studie wurden Männer randomisiert, einem Interventionsarm mit jährlichem PSA-Screening oder einem Kontrollarm (Regelversorgung) zugeordnet. In den Ergebnissen dieser Studie zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der PCa-spezifischen Mortalität.1

Die Hauptkritik an dieser 2009 im NEJM publizierten Studie ist der hohe Anteil an PSA-Messungen im Kontrollarm, der praktisch einer Kontamination entspricht. Trotz dieser massiven Problematik kam es 2012 durch die U.S. Preventive Services Task Force (USPSTF) zur Empfehlung „PSA-Screening wird nicht empfohlen“.

Ergebnisse und Diskussion

eitere Analysen und eine grundlegende Überprüfung der Auswertung der PLCO-Fragebögen zeigte jetzt, dass „etwa jeder zweite Mann des Kontrollarmes während des Studienzeitraumes mindestens einen PSA-Test“ erhielt.2Shoag und Kollegen wiesen deswegen in ihrem Beitrag darauf hin, dass auch diese Einschätzung einer hohen Kontaminationsrate an PSA-Tests im Kontrollarm der PLCO-Studie immer noch zu niedrig angesetzt ist. Die tatsächliche PSA-Test-Rate wurde bei genauerer Analyse der Frage, wann ein PSA Test durchgeführt wurde, erst bei einer jetzt durchgeführten Subgruppenanalyse entdeckt.

Die Antworten dieser Subgruppen bezüglich des Zeitpunkts des letzten Tests waren „letztes Jahr“, „vor 1-2 Jahren“, „vor 2-3 Jahren“, „vor mehr als 3 Jahren“ und „unbekannt“. In der 2009 erschienenen Publikation wurde die Rate an PSA-Bestimmungen im Kontrollarm auf die Männer beschränkt, die antworteten, dass sie innerhalb des letzten Jahres aufgrund einer routinemäßigen körperlichen Untersuchung einen PSA-Test hatten durchführen lassen. Andere Antworten wurden als „nicht PSA-Wert getestet“ gewertet.3 Bei der erneuten Subgruppenanalyse wurde nun erkannt, dass mehr als 80 % aller Teilnehmer im Kontrollarm – die bislang als „nicht kontaminiert“ galten (definiert durch mehr als zwei PSA-Tests innerhalb von drei Jahren vor Studieneingang) – angegeben hatten, mindestens einen PSA-Test während der Studie gemacht zu haben. Dabei waren mehr als 50 % im vergangenen und mehr als 70 % in den vergangenen zwei Jahren PSA-getestet worden.

Insgesamt betrug der Anteil der Männer im Kontrollarm, die vor oder während der Studie mindestens einen PSA-Test hatten durchführen lassen, somit annährend 90 %, worin die bereits vorher bekannten 10 % „kontaminierte“ Teilnehmer berücksichtigt sind.4 Als Konsequenz daraus hat das Center for Medicare and Medicaid Services im März 2016 die Entwicklung eines Arbeitsprogramms mit dem Titel „Non-Recommended Prostate-Specific Antigen (PSA)-Based Screening“, dessen Kernaussage die Ablehnung des PSA-basierten Screenings in allen Männern ist, vorübergehend unterbrochen. Die USPSTF aktualisiert gegenwärtig ihr Statement, dass der PSA-Wert für das PSA-Screening nicht zu empfehlen sei. Die zukünftigen Entscheidungen dieser beiden Organisationen bezüglich des PSA-Werts dürften von entscheidender Bedeutung für das PSA-basierte Screening in den USA sein und haben dementsprechend auch Auswirkungen auf unser Vorgehen.

Fazit

Da der PSA-Test in beiden Studienarmen nahezu gleich häufig durchgeführt wurde, ist die Aussage der PCLO-Studie bzgl. des PSA-Screenings irrelevant und kann keinesfalls weiter als Basis für die getroffene negative eine Aussage über die PSA-Untersuchung im Rahmen eines Screening Tests dienen. Es bleibt abzuwarten und zu hoffen, dass die USPSTF ihre Empfehlungen anpasst. Wir Urologen sollten weiterhin nicht unkritisch mit der Empfehlung für eine PSA-Untersuchung umgehen und sind gut beraten, die Empfehlungen der S3-Leitlinie zu beachten und mit unseren Patienten zu diskutieren.5 Wichtig ist es auch, weiterhin Studien und ihre Ergebnisse kritisch zu hinterfragen und erkennbare Fehler dieser Studien mit der kritischen Presse und den kritischen Patienten zu diskutieren. Nicht, um Recht zu haben, sondern um weiter Patienten, insbesondere mit relevanten Formen des Prostatakrebses rechtzeitig erkennen, beraten und behandeln zu können.

(1) Andriole GL, Crawford ED, Grubb RL III, et al., Mortality results from a randomized prostate-cancer screening trial, N Engl J Med 2009;360:1310-1319
(2) Moyer VA., Screening for prostate cancer: U.S. Preventive Services Task Force recommendation statement, Ann Intern Med 2012;157:120-134
(3) Pinsky PF, Blacka A, Kramer BS, Miller A, Prorok PC, Berg C., Assessing contamination and compliance in the prostate component of the Prostate, Lung, Colorectal, and Ovarian (PLCO) Cancer Screening Trial., Clin Trials 2010;7:303-311
(4) Jonathan Shoag, JE, Mittal S, and Hu, JC: Reevaluating PSA Testing Rates in the PLCO Trial; New England Journal of Medicine; 374:1795-1796 May 5
(5) Carter HB, Albertsen PC, Barry MJ, et al., Early detection of prostate cancer: AUA guideline, J Urol 2013;190:419426)