Degarelix versus Goserelin plus Bicalutamide – welche Therapie ist bei Prostatakarzinom-assoziierten Begleiterkrankungen wie LUTS erfolgversprechender?
Matthias J. Müller
Assistenzarzt
Martini-Klinik am UKE GmbH
Martinistraße 52
20246 Hamburg
Hintergrund
Die Androgendeprivationstherapie (ADT) stellt aktuell den Behandlungsstandard des fortgeschrittenen und metastasierten Prostatakarzinoms (PCa) dar, welches vor allem bei älteren Patienten häufig mit lower urinary tract symptoms (LUTS) vergesellschaftet ist. Sowohl LHRH-Agonisten als auch GnRH-Antagonisten stehen als Therapieregime zur Verfügung.1,2
LHRH-Agonisten, seit Ihrer Einführung 1980 die häufigste Form der ADT, gehen trotz nachgewiesener Effizienz mit bekannten Einschränkungen einher. Sie induzieren aufgrund ihrer Wirkungsweise einen initialen Testosteronanstieg (flare-up Phänomen), wodurch sich Exazerbationen der Symptome ergeben können. Zudem dauert es einige Wochen, bis das Testosteron auf Kastrationsniveau gefallen ist und es kommt zu geringen Testosteronschwankungen nach jeder Gabe. Um diese Komplikationen zu vermeiden ist zusätzlich die initiale Gabe eines Antiandrogens notwendig.3,4,5
Im Gegensatz dazu steht mit den GnRH-Antagonisten, wie z. B. Degarelix, seit 2007 eine neue und wirkungsvolle Therapieoption zur Verfügung, die eine sofortige und direkte Blockade von Hypophysenrezeptoren bewirken und so zu einer schnelleren Testosteronsupprimierung ohne flare-up Phänomen führen.6,7
Ciu et al. führten 2014 eine Meta-Analyse zur Beurteilung der Effizienz und Verträglichkeit von Degarelix vs. Goserelin plus Bucalutamid im Hinblick auf eine Verringerung des Gesamtprostatavolumens (TPV), Verbesserung des LUTS und Verbesserung der Lebensqualität (QoL) durch. Die Ergebnisse werden im Folgenden dargestellt.8
Studienergebnisse
Gesucht wurde ausschließlich nach randomisiert kontrollierten Studien (RCTs), die eine Therapie mit Degarelix und akkurate Daten einschließlich der Teilnehmerzahl und der Leitwerte IPSS (International Prostate Symptom Score), TPV (Total Prostate Volume) und QoL beinhalteten. Die Qualität der identifizierten Studien wurde mit Hilfe des Jadad-Score beurteilt.
Nach Literaturdurchsicht der Datenbanken MEDLINE, EMBASE und dem Cochrane Controlled Trials Register wurden schließlich 3 RCTs aus insgesamt 52 Artikeln mit vergleichbar hohem Qualitätslevel und ohne Hinweis für Bias ausgewertet. In diesen wurde Degarelix (240/80 mg) mit Goserelin plus Bicalutamid (3,6 mg + 50 mg) über einen Zeitraum von 12 Wochen verglichen. Zusammengenommen beinhalteten die Studien 463 Patienten aller Karzinomstadien (289 in der Degarelix- und 174 in der Goserelin plus Bicalutamid- Gruppe). Die untersuchten Patientenkohorten zeigten dabei vergleichbare Charakteristika.9,10,11,12
Beide Behandlungsformen zeigten eine signifikante, jedoch gleichwertige Reduktion des TPV nach der Beobachtungszeit. Die Reduzierung des IPSS hingegen war signifikant größer in der Degarelix Gruppe. Zusätzlich konnten 2 RCTs (Axcrona et al., 2012 und Mason et al., 2013) zeigen, dass das Ausmaß der IPSS-Reduzierung bei einem initialen IPSS ≥ 13 in der Degarelix Gruppe deutlich ausgeprägter ausfiel. Da diese Verbesserung nicht mit der Volumenreduktion zu erklären war, vermuteten die Autoren den Effekt in der Blockade der GnRH-Rezeptoren, die auf dem Epithel und in glatten Muskelzellen der Prostata, auf Prostata infiltrierenden peripheren Lymphozyten und der Blasenschleimhaut nachgewiesen werden konnten. Die Blockade dieser Rezeptoren ist weiterhin assoziiert mit der Downregulation pro-inflammatorischer Zytokine, verschiedener Wachstumsfaktoren und a1-Adrenorezeptoren und begünstigt damit sowohl die Relaxation glatter Muskelzellen als auch die Volumenreduktion. Die Autoren schlossen daraus, dass durch diese peripheren Effekte die ausgeprägtere Verbesserung des LUTS durch Degarelix zu erklären sei.10,12,13,14,15,16,17,18
Bezüglich der QoL ergab sich trotz der besseren Ergebnisse im Symptomen-Score für die Degarelix Gruppe keine eindeutige Überlegenheit; es konnte lediglich ein Trend zugunsten der Degarelix Gruppe aufgezeigt werden.
Beide Gruppen zeigten ähnliche therapiebedingte Nebenwirkungen, am häufigsten traten Hitzewallungen auf. Lediglich lokale Reaktionen am Injektionsort wurden ausschließlich von der Degarelix Gruppe berichtet, wobei diese weder schwerwiegend waren, noch einen Grund zum Abbruch der Behandlung darstellten.
Fazit
Die methodisch gute Meta-Analyse zeigt, dass die Effizienz von Degarelix bezogen auf die Reduktion des Prostatavolumens der von Goserelin plus Bicalutamid nicht unterlegen ist. Die bereits in anderen Arbeiten untersuchte und bekannte gleichwertige Wirksamkeit und Toleranz von GnRH-Antagonisten wie Degarelix gegenüber Goserelin wurde bestätigt.
In Hinblick auf die Therapie der LUTS zeigte Degarelix eine signifikant bessere Wirkung als Goserelin plus Bicalutamid, ohne sich jedoch in einer Verbesserung der Lebensqualität widerzuspiegeln. Degarelix bietet insgesamt eine wertvolle Alternative in der hormonellen Behandlung des PCa.
Diese Meta-Analyse ist limitiert durch die begrenzte Anzahl der auswertbaren Studien, die geringe Patientenzahl sowie fehlende Langzeitdaten. Somit bedarf es weiterer Studien an größeren Kollektiven, ggf. untermauert mit objektiven urodynamischen Daten, um mehr über die klinisch relevante Effizienz und Sicherheit der Therapie der LUTS bei Männern mit Prostatakrebs zu erfahren.
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